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24. September 2025

Mit Fell und Feingefühl

Seit Anfang April leben Alpakas auf dem BWB-Kräuterhof Lübars – und haben die Herzen von Mitarbeitenden, Stammpersonal und Besuchern im Sturm erobert. Bald kommt noch ein sechstes hinzu. Die feinfühligen und intelligenten Tiere werden für die Tiergestützte Intervention eingesetzt.

Elly und Gwenny kommen ganz zielstrebig zum Zaun, als sie die Besucherinnen erblicken. Die beiden jungen Alpakas – Gwenny ist etwas über ein Jahr alt, Elly wird Ende Juli eins – sind besonders neugierig und zutraulich. Elly schnuppert, stupst einen zart mit der Nase an. Ihre Mutter Sally und Gwennys Mutter Geronima liegen derweil in einiger Entfernung im Gras und schauen hin und wieder, was ihre Töchter so treiben. Idylle pur auf der Koppel des BWB-Kräuterhofs Lübars. Es fühlt sich an wie Ferien auf dem Bauernhof.

„Seit dem 1. April leben auf unserem Kräuterhof fünf Alpaka-Damen“, berichtet Cordula Nowakowski, Leiterin des Begleitenden Dienstes, die außerdem die Projektgruppe „Tiergestützte Intervention (TGI) in der BWB“ ins Leben gerufen hat. Darin haben sich insgesamt acht Pädagoginnen, Psychologinnen und eine Sozialarbeiterin aus dem Begleitenden Dienst zusammengetan, um das Thema weiter voranzubringen (mehr dazu im Kasten). Sally und Elly, Geronima und Gwenny sind alle Huacaya-Alpakas. Und dann ist da noch Lima, ein Suri-Alpaka. Die Suris haben nicht ganz so dickes, flauschiges Fell wie die deutlich weiter verbreiteten Huacayas. Das der Suris sieht zotteliger aus und entwickelt, wenn es länger wird, Dreadlocks. „Lima ist gerade nicht auf unserem Hof, sondern wieder bei der Züchterin auf der Insel Fehmarn, von der wir die Alpakas haben“, berichtet Nowakowski. „Bei der Schur stellte sich nämlich heraus, dass Lima hochschwanger ist. Es erschien uns sicherer, dass sie ihr Fohlen dort bekommt und die beiden nach einer gewissen Zeit gemeinsam zu uns kommen.“ Damit leben auf dem Kräuterhof dann also bald sechs Alpakas. Wegen der Schur wenige Wochen zuvor sehen die ansonsten so mollig wirkenden Alpakas gerade ziemlich dünn aus. Geblieben ist ihnen nur der typische Fellbüschel auf dem Kopf.

Ideale Bedingungen

Cordula Nowakowski ist überzeugt, dass die Arbeit mit Alpakas gerade für Menschen mit Behinderung sehr gut ist. „Es sind sehr unaufdringliche und feinfühlige Tiere. Sie strahlen eine große Ruhe aus und gehen achtsam und fürsorglich sowohl mit ihren Gefährten in der Herde als auch mit ihren menschlichen Begleitern um. Dadurch können sie helfen, Stress abzubauen und innere Ruhe zu finden.“ Um die Alpakas für die Tiergestützte Intervention einsetzen zu können, müssen sie gut sozialisiert, trainiert sowie an den Umgang mit Menschen und ihrer Umwelt gewöhnt sein. Sie müssen artgerecht und liebevoll gehalten werden und viel freien Auslauf haben. All das ist auf dem Kräuterhof gegeben. „Wir haben außerdem mit Elke Knaisch extra eine Pädagogin eingestellt, die bereits große Expertise im Bereich Pferdetherapie hat und sich hier nun mit den Alpakas, der pädagogischen Arbeit und den Konzepten beschäftigt.“ Außerdem bietet Nowakowski den BWB-Mitarbeitenden im Rahmen des Innovativen Bildungs-Systems (IBS) Alpaka-Kurse mit Praxiseinheiten in Lübars an. In dem Kurs geht es zum Beispiel um die Fütterung der Tiere, ihr Verhalten und den Umgang mit ihnen. Beim Spazierengehen mittels Halfter und Führleine auf dem großen Gelände des Kräuterhofs können sie ein Gefühl für die Alpakas und ihr individuelles Verhalten entwickeln. 

Aktuell kümmern sich in erster Linie die Kolleginnen und Kollegen aus dem Stammpersonal um die Tiere. Nach und nach sollen sich aber auch die Mitarbeitenden ums Füttern und Versorgen der Tiere kümmern. „Wir haben sogar die Idee, hier zwei ausgelagerte Arbeitsplätze eigens dafür zu schaffen. Das Integrationsmanagement der BWB hat schon Interessenten, bei denen das gut passen würde.“ Am Wochenende und an Feiertagen, wenn der Kräuterhof geschlossen ist, kümmern sich derzeit die Psychologinnen Andrea Langhoff und Ute Fischer, Ulrike Arnold, Assistentin der Geschäftsführung, sowie Cordula Nowakowski ehrenamtlich um die Alpakas. „Das Interesse und Engagement ist auch im Stammpersonal groß. Perspektivisch soll aber dafür jemand auf Minijobbasis eingestellt werden.“

Von der Idee zur Umsetzung

Ulrike Arnold war es auch, die die Idee mit den Alpakas von einem Ostsee-Urlaub auf einem Alpaka-Hof in die BWB mitbrachte. „Ich war sofort Feuer und Flamme“, sagt Nowakowski, „und auch Herr Gerstle war schnell angetan davon.“ Nachdem die Entscheidung gefallen war, ist Nowakowski mehrmals privat nach Fehmarn zu der Züchterin gefahren und hat sich mit den Alpakas vertraut gemacht. „Ich habe da viel Wissen aufgesaugt und mich intensiv mit den Tieren beschäftigt, auch damit ich unsere neue Pädagogin gut einarbeiten kann.“ Denn bislang hat Nowakowski, studierte Erziehungswissenschaftlerin und Medienpädagogin, vor allem mit Pferden und Hunden gearbeitet. „Ich habe zum Beispiel am eigenen Leib erfahren, dass Alpakas nicht einfach überall angefasst werden möchten, schon gar nicht am Hinterteil oder an den Beinen“, sagt sie lachend. „Als ich einem etwas Stroh vom Bein zupfen wollte, hat es leicht ausgetreten. Man muss eben lernen und verinnerlichen, wie man mit den Tieren richtig umgeht, was sie mögen und was eben nicht.“ 

Die Züchterin hat dann zusammen mit Nowakowski die Alpakas für die BWB ausgesucht. „Mir war vor allen Dingen wichtig, dass sie verschiedene Fellfarben haben, damit unsere Mitarbeitenden sie gut unterscheiden können.“ Die ersten Tage nach der Reise waren die Züchterin und eine Mitarbeiterin noch vor Ort, haben Stammpersonal und Mitarbeitende eingewiesen und alles Nötige erklärt. Rechtzeitig vor dem 1. April war dann auf dem Kräuterhof alles fertig. Das Veterinäramt war informiert, das Team vom Kräuterhof hat die Koppel eingezäunt, einen Unterstand als Schutz vor Wind und Regen aufgestellt, Behälter für Wasser und besonderes Zusatzfutter aufgehängt. Sie haben eine Heufutterstelle und außerhalb des Zauns einen Unterstand für das Futterlager und diverse Gerätschaften errichtet. „Vor dem Winter wollen wir auch noch einen Holzstall auf der Koppel aufbauen“, so Nowakowski. Das Alpakafell ist zwar wärmeregulierend und die ursprünglich aus den Hochebenen der Anden stammenden Tiere können sowohl Eiseskälte als auch bullige Hitze gut aushalten. „Aber wenn es richtig ungemütlich wird, ist es im Stall vermutlich doch angenehmer.“ 

Die Alpakas sind im Hänger eines Transporters die rund 400 Kilometer von Fehmarn nach Lübars gekommen. „Sie haben während der Fahrt ganz ruhig auf dem Boden gelegen und machten auch bei der Ankunft einen entspannten Eindruck.“ Nowakowski kann sich deshalb gut vorstellen, irgendwann mal mit den Alpakas zum Beispiel zum Beschäftigungs- und Förderbereich in Steglitz zu fahren. „Dort gibt es einen großen Garten, der sich wunderbar für die Tiere eignet.“ Aber erst einmal sollen sich die Alpakas an ihre neue Umgebung gewöhnen. „Wir gehen das alles ganz langsam an und wollen weder uns noch die Tiere überfordern.“

Sozialraumorientierte Angebote

Perspektivisch will die BWB tierbasierte Freizeitangebote auch für umliegende Kitas und Schulen oder die Nachbarschaft schaffen. „Wichtig ist uns dabei, dass die Mitarbeitenden alle Angebote aktiv mitgestalten können.“ Je nach Eingewöhnung der Tiere und dem Verlauf der Schulungen für die Mitarbeitenden können das zum Beispiel Wanderungen mit den Alpakas sein. Die Mitarbeitenden können dann Ausrüstung und Geschirr vorbereiten, die Tiere vorstellen, die Regeln erklären und dann natürlich auch bei der Wanderung dabei sein. „Eine weitere Idee ist, Kaffee und Kuchen mitten unter den Tieren anzubieten. Dabei können unsere Mitarbeitenden Tische und Stühle aufstellen, alles eindecken, Kuchen backen, Bestellungen aufnehmen und servieren.“ Geplant ist auch, die Angebote rund um die Alpakas mit digitalen Inhalten zu verbinden. „Wir denken da an eine digitale Schnitzeljagd mit Tablets oder Smartphones und Lernstationen verteilt über den ganzen Hof.“ 

Über eine spezielle App kann man dann an multimedialen Erlebnistouren mit Rätseln, einem Quiz oder Lückentexten teilnehmen. Dabei werden Lerninhalte zu Alpakas spielerisch vermittelt, etwa woher sie ursprünglich stammen, wie sie leben, was sie essen, wie sie kommunizieren oder was man mit ihrer Wolle machen kann. „Das könnte besonders für Schulklassen oder auch bei Kindergeburtstagen ein spannendes Angebot sein.“ Das Interesse sei bereits jetzt groß, unter anderem von der Schule in der Nähe des Kräuterhofs. Im Hofladen sollen zudem irgendwann Alpaka-Produkte verkauft werden. „Einen Teil der Schur haben wir deshalb extra zurückbehalten.“

Therapie auf vier Beinen

Bei der Tiergestützten Intervention (TGI) setzen geschulte Fachkräfte Tiere in den Bereichen Gesundheitswesen, Pädagogik und Sozialwesen ein. Ziel ist, dadurch die therapeutische Arbeit mit den Menschen zu verbessern. Tierwohl und Tierschutz spielen dabei eine große Rolle. Die BWB orientiert sich zum Beispiel an den Empfehlungen und Vorgaben der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz. 

Im Rahmen der IBS-Kurse setzt die BWB bereits seit einigen Jahren erfolgreich TGI ein und erweitert so ihre rehabilitationspädagogische Arbeit: Ute Fischer, Psychologin am Standort Ost am Blumberger Damm und Teil des TGI-Projektteams, bietet zum Beispiel den Kurs „In Kontakt mit Eseln“ an. Darin lernen die Mitarbeitenden alles über die umsichtigen Tiere, besuchen einen Eselhof bei Berlin und können am Ende einen Eselführerschein machen. 

Cordula Nowakowski, die privat unter anderem ein Therapie-Pferd besitzt, bietet regelmäßig den Kurs „Aktivitäten rund ums Pferd“ an. Die Mitarbeitenden lernen darin etwas zum Umgang, dem Verhalten, der Pflege und Versorgung der Tiere und können auf der Trabrennbahn Mariendorf die Pferde longieren, reiten und sich im angespannten Wagen über die Rennbahn fahren lassen. 

Da Mitarbeitende sich immer wieder einen Therapiehund wünschten, hat die Sozialarbeiterin Jeannie Böhmer, die in der Wolfener Straße arbeitet und ebenfalls zum TGI-Projektteam gehört, mit ihrem Mischlingshund Bruno an entsprechenden Schulungen teilgenommen. An der Alice-Salomon-Hochschule hat sie sich zudem zur Fachkraft für TGI weitergebildet. Inzwischen bringt Böhmer ihren Hund zweimal in der Woche zur Unterstützung der Arbeit mit in die BWB. Außerdem bietet sie ab dem nächsten Semester den IBS-Kurs „Umgang mit dem Hund – Empathieförderung, Stärkung sozialer Kompetenzen“ an.

Mit den Alpakas hat die BWB nun ihr größtes Vorhaben in diesem Bereich als inklusives sozialraumorientiertes Angebot gestartet.